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207619

(1995) Germanistik und Komparatistik, Stuttgart, Metzler.

Unheimliche Verdoppelungen

Dorothea von Mücke

pp. 160-187

Am Beispiel von zwei Novellen aus Tiecks Phantasus und dessen Aufsatz »Über Shakespeares Behandlung des Wunderbaren« soll in diesem Beitrag ein Aspekt romantischer Subjektivität eingehender untersucht werden, und zwar die Irrationalität. Es gehört zu den Klischees der Literaturgeschichtsschreibung, die romantische Faszination mit dem Wunderbaren, Märchenhaften, Fantastischen und Unheimlichen als kritische oder reaktionäre Antwort auf Rationalismus und Aufklärung zu verstehen.1 Dieser geistesgeschichtliche Ansatz soll im folgenden vermieden werden. Statt dessen möchte ich die fantastische Erzählung auf das von dieser Gattung implizierte Subjektmodell hin befragen. Dabei soll untersucht werden, welche Sprachauffassung der fantastischen Erzählung zugrunde liegt. Weiterhin, welche Auswirkungen dies Sprachmodell auf Funktion und Textmodell der Literatur dieser Epoche hat. Und letztlich, welches Verhältnis zwischen fantastischer Erzählung und außerliterarischen Diskursen über Wahnsinn und Perversion hergestellt werden kann. Dabei werde ich die These vertreten, daß die romantisch fantastische Literatur an der Produktion einer Subjektivität beteiligt ist, die sich erst mit Hilfe eines psychoanalytischen Modells der Sexualität und des Unbewußten beschreiben läßt. Wohlgemerkt handelt es sich bei dieser These nicht um die gelegentlich auftauchende Behauptung, daß die romantische Fantastik den Diskurs der Psychoanalyse antizipiere, ich möchte lediglich behaupten, daß die fantastische Erzählung an der diskursiven Produktion jenes Subjekts teilhat, das sich dann mindestens hundert Jahre später der ›talking cure‹ unterzieht.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05561-3_11

Full citation:

von Mücke, D. (1995)., Unheimliche Verdoppelungen, in H. Birus (Hrsg.), Germanistik und Komparatistik, Stuttgart, Metzler, pp. 160-187.

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