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197775

Der Neologismus als Mittel der Feindbildkonstruktion

Bernhard Pörksen

pp. 146-168

Abstrakt

Jedem Akt des Benennens geht eine bewußte oder unbewußte Auswahlentscheidung voraus.547 Die zu diesem Zweck gebrauchten Wörter drücken aus, was wahrgenommen wird und was wahrgenommen werden soll. Sie sind Interpretationsvokabeln und Tendenzwörter548, die wenn man sie im Gesamtzusammenhang der jeweils widerstreitenden Weltdeutungen betrachtet — womöglich ideologiespezifische Bezeichnungsvarianten und Konkurrenzausdrücke bilden: Sie sollen die eigene Meinung und Sichtweise wiedergeben, und richten sich gegen andere in Bezeichnungsvarianten manifeste Perspektiven. So ist es bereits ein Unterschied der Betrachtungsweise, ob die Rote Armee Fraktion der ersten Generation als Baader-Meinhof-Gruppe oder als Baader Meinhof-Bande sprachlich erfaßt wird,549 ob man die Ostpolitik der Regierung unter Willy Brandt als Politik der Versöhnung oder als Verzichtspolitik benennt. Es ist ein Unterschied, ob man — ein Schlagwort der 70er Jahre — von einem Berufsverbot spricht oder ob man die Weigerung, politisch verdächtige oder mißliebige Personen zu beschäftigen, als Einstellungsfreiheit des Staates kennzeichnet, wie dies einmal Werner Betz als vorgeblich einzig angemessene Bezeichnung vorgeschlagen hat.550 Was den einen als Verteidigungsbeitrag erscheint, ist für andere die Wiederaufrüstung; wofür die einen die Bezeichnung Bündnisfreiheit finden, das benennen andere als Neutralismus.551 Und so weiter.

Publication details

Published in:

Pörksen Bernhard (2000) Die Konstruktion von Feindbildern: zum Sprachgebrauch in neonazistischen Medien. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Seiten: 146-168

DOI: 10.1007/978-3-322-93544-1_9

Referenz:

Pörksen Bernhard (2000) Der Neologismus als Mittel der Feindbildkonstruktion, In: Die Konstruktion von Feindbildern, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 146–168.