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227046

(2007) Moderne begreifen, Wiesbaden, Deutscher Universitätsverlag.

Die Europa-Asien-Diskussion in Thomas Manns Zauberberg

Paul Michael Lützeler

pp. 193-203

Fast so verbreitet wie der deutsche Bildungs-, Künstler- und Geschichtsroman war im 19. Jahrhundert — seit den Jungdeutschen — auch der Zeitroman, der dann im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts einen neuen Höhepunkt erreichte (Steinecke; Boeschenstein-Schaefer; Hasubek; Matijevich). Wichtige Beispiele dieser Gattung im deutschsprachigen Bereich sind in der Zwischenkriegszeit Heinrich Manns Untertan, Thomas Manns Zauberberg, Hermann Hesses Steppenwolf, Robert Musils Mann ohne Eigenschaften und Hermann Brochs Schlafwandler. In den Zeitromanen werden Phänomene und Tendenzen der jüngsten Vergangenheit erfasst. Insofern ist er leicht abzugrenzen vom historischen Roman, in dem das Erzählgeschehen in früheren Phasen der Geschichte spielt. (Nach Walter Scott muss bekanntlich das Geschehen des historischen Romans mindestens sechzig Jahre, also etwa zwei Generationen, zurückliegen.) Der Zeitroman fand eine Fortsetzung in den Nachkriegsjahrzehnten. Als prominente Beispiele sei auf Günter Grass' Blechtrommel und Heinrich Bölls Billard um halbzehn hingewiesen. Zeitromane handeln im Gegensatz zu Bildungsromanen nicht in erster Linie von der Entwicklung und Wandlung individueller Helden, die in konfliktreicher Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt ihre Begabungen entdecken und als mündige Bürger einen als sinnvoll empfundenen Ort in der Gesellschaft finden. Und anders als im Künstlerroman geht es nicht um die biographische Zeichnung einer individualistischen Ausnahmeexistenz. Die Protagonisten von Zeitromanen sind mehr oder weniger fertige Personen. Von Interesse sind hier Epochenrepräsentanz, d. h., die Romanfiguren verkörpern Zeittypisches, stehen für ideologische Strömungen und drücken charakteristische Anschauungen unterschiedlicher sozialer Gruppen bzw. Schichten aus.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-8350-9676-9_14

Full citation:

Lützeler, P. (2007)., Die Europa-Asien-Diskussion in Thomas Manns Zauberberg, in C. Magerski, R. Savage & C. Weller (Hrsg.), Moderne begreifen, Wiesbaden, Deutscher Universitätsverlag, pp. 193-203.

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