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220481

Die Politische Theorie der Interpenetration

Richard Münch

Carsten Stark

pp. 347-376

Abstrakt

Die soziologische Theorie von Richard Münch wird in der Regel unter der Rubrik "neoparsonianisch" oder "neofunktionalistisch" gefaßt. Dies vor allem deshalb, weil die Verwendung des noch näher zu beschreibenden Parsonschen AGIL-Schemas besonders augenfällig ist. Doch mit einer solchen Zuweisung wird man weder Richard Münch noch der Theorie sozialer Systeme von Talcolt Parsons gerecht. Münch studierte in Heidelberg bei Ernst Topitsch Soziologie und promovierte bei Ernst Tugendhart und Carl F. Graumann, aus diesem akademischen Werdegang spricht eher eine Verbindung zur Schule des Kritischen Rationalismus (vgl. Münch 1974). Zwar griff Münch bereits frühzeitig die systemtheoretischen Arbeiten von Parsons auf, doch machte sein erkenntnistheoretischer Standpunkt eine entscheidende Umgestaltung notwendig. Diese in "Theorie des Handelns' (Münch 1982) formulierte Neugestaltung des theoretischen Grundkonzeptes führte Münch zu seiner Theorie der Interpenetration, die er in "Die Struktur der Moderne" (Münch 1984) als eigenständige Modernisierungstheorie ausgearbeitet hat. In einer zweiten Schaffensperiode arbeitete Münch (1986) diese Modernisierungstheorie inhaltlich anhand der modernen Gesellschaften Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und den USA aus. In diesen Arbeiten wird die Orientierung Mönchs an der Rationalisierungstheorie von Max Weber sehr deutlich, eine Orientierung, die sich stark von der Parsonschen Weberinterpretation unterscheidet und auch auf diese Weise zu einer Loslösung von Parsons Theoriedesign führte. Deutlich wird dies aber auch in der Soziologie der Politik und in der Münchschen Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, der — ebenfalls bei Parsons beginnend — den Weg der Radikalisierung des systemischen Paradigmas gegangen ist, also die genau entgegengesetzte Richtung zu Münch (1996) eingeschlagen hat. Bei der Münchschen Theorie handelt es sich daher weder um einen Strukturfunktionalismus (Parsons) noch um einen Prozeßfunktionalismus (Luhmann), als vielmehr um einen an Max Weber orientierten Leitbild- oder Deutungsfunktionalismus, der das soziale Handeln in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Der Begriff "System" wird nicht zur Beschreibung eines theoretischen Zusammenhangs genutzt, sondern dient der analytischen Ordnungsbildung in einer funktionalistischen Handlungstheorie.

Publication details

Published in:

Brodocz André, Schaal Gary S. (2001) Politische Theorien der Gegenwart II: Eine Einführung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Seiten: 347-376

DOI: 10.1007/978-3-663-12320-0_12

Referenz:

Stark Carsten (2001) „Die Politische Theorie der Interpenetration: Richard Münch“, In: A. Brodocz & G. S. Schaal (Hrsg.), Politische Theorien der Gegenwart II, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 347–376.