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Wittgenstein und die "Grundfrage der Metaphysik"

Dieter Birnbacher

pp. 228-238

Zu den zahlreichen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden wohl profiliertesten Denkern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wittgenstein und Heidegger,1 gehört die eigentümliche Faszination, die die Tatsache auf sie ausübte, daß überhaupt etwas existiert. In Satz 6.44 von Wittgensteins Tractatus heißt es: "Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist", ein Satz, dem als einzige Erläuterung beigegeben ist, daß das "mystische" "Gefühl das Gefühl der Welt als begrenztes Ganzes" sei (6.45).2 Rund zehn Jahre später bezeichnet Wittgenstein in dem in Cambridge gehaltenen Vortrag über Ethik sein "Existenz-Gefühl" als sein "Erlebnis par excellence" — als eines der Erlebnisse, in dem er so etwas wie "absoluten" oder "ethischen" Wert zu erfahren vermag. Dieses Erlebnis bestehe in dem Staunen, daß die Welt existiert: Er möchte, wie er sagt, "dann Sätze gebrauchen wie "Wie erstaunlich, daß überhaupt etwas existiert" oder "Wie erstaunlich, daß die Welt existieren soll"."3 Das Sich-Verwundern über die Existenz der Welt ist bei Wittgenstein — anders als bei Schopenhauer4 — allerdings nicht der Anfang der Philosophie, sondern ihre äußerste Grenze. Es liegt jenseits der Grenzen der Sprache, läßt sich strenggenommen gar nicht aussprechen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-662-30086-2_21

Full citation:

Birnbacher, D. (1990)., Wittgenstein und die "Grundfrage der Metaphysik", in R. Haller & J. L. Brandl (Hrsg.), Wittgenstein — eine neubewertung/Wittgenstein — towards a re-evaluation, Dordrecht, Springer, pp. 228-238.

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