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216321

(2017) Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, Dordrecht, Springer.

Traditionelle Klassifikationssysteme psychischer Störungen

Joachim Klosterkötter

pp. 493-515

Als Trennlinie zwischen moderner und traditioneller Klassifikation wird die Einführung des Operationalisierungsprinzips in die psychiatrische Diagnostik angesehen. Die Nosografie stellte Anfang des 19. Jahrhunderts den Beginn der psychiatrischen Klassifikation dar. In der Folge entwickelte sich die auch heute den Klassifikationsprozess noch vorantreibende Idee der natürlichen Einteilung nach zugrunde liegenden Krankheitseinheiten. Griesinger hatte zunächst noch geglaubt, keine Grenzen ziehen zu können und den Begriff der Einheitspsychose geprägt. Kahlbaum forderte dann aber, bei der Diagnosestellung nicht nur den Zustand, sondern auch den Prozess der Erkrankung zu berücksichtigen und formulierte ein neues klinisch-nosologisches Einteilungsprogramm. Diese Einteilung modifizierte Kraepelin. Er unterschied exogene, endogene und psychogene Krankheitsformen, was zu einer triadischen Anordnung führte. Er prägte den Begriff "Dementia praecox" und führte damit die Dichotomie zwischen schizophrenem und manisch-depressivem Formenkreis ein. Kraepelin hielt an der Idee der natürlichen Einteilung fest. Sein Hauptkritiker war Wernicke. Jaspers forderte, sich bei einer psychischen Erkrankung sowohl die Phänomenologie zu vergegenwärtigen als auch die lebensgeschichtliche Genese nachzuvollziehen. Bei Erkrankungen, die die Sinnkontinuität der Biografie unterbrechen, nahm er eine hirnorganische Verursachung an. Schneider entwickelte daraufhin das duale System der klinischen Psychopathologie und unterschied abnorme Spielarten seelischen Wesens von Krankheitsfolgen. Huber stellte den abnormen Spielarten und den Krankheitsfolgen die endogenen Psychosen zur Seite, sodass sich wieder ein triadisches Schema ergab. Für eine internationale Klassifikation forderte Stengel in allen Kriterien explizite, klar gefasste Diagnosekategorien. Diese Forderung wurde im DSM-III erstmalig umgesetzt. Die neuen Diagnoseschemata werden von einigen als Bruch mit der Tradition empfunden. Aber es war gerade die Tradition, die Einfluss auf die programmatische Leitidee und den deskriptiven Ansatz der Neuerungen hatte.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-662-49295-6_19

Full citation:

Klosterkötter, J. (2017)., Traditionelle Klassifikationssysteme psychischer Störungen, in H. Möller, G. Laux & H. Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, Dordrecht, Springer, pp. 493-515.

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