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208818

(1995) Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart, Metzler.

Exkurs

Literarische Hermeneutik

Joachim Jacob

pp. 337-339

»Die altehrwürdige Hermeneutik (als Lehre der Auslegung) ist heute in Deutschland nicht mehr ein in den Geisteswissenschaften lebendiges Gedankengut« (Betti 1962, 5), konstatierte Emilio Betti noch zu Beginn der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts. Indes ist die Hermeneutik nach drei Jahrzehnten philologischer Reflexion und historischer Forschung als Thema der Literaturwissenschaft zwar etabliert, doch zeigt ihre Diskussion innerhalb der Disziplin, daß Begriff, Funktion und Geltung einer literarischen Hermeneutik stets umstritten waren und weiterhin sind. Schon Betti setzte sich in der zitierten Schrift kritisch mit einem 1960 erschienenen folgenreichen Versuch auseinander, den Geisteswissenschaften mit der Hermeneutik wieder einen wahrheitsfähigen Begriff des Verstehens zu gewinnen, der sie von der nur erklärenden Methode der Naturwissenschaften unterscheiden sollte: Hans-Georg Gadamers Wahrheit und Methode (1960/1990). Betti wandte sich gegen Gadamers seiner Meinung nach subjektivistische Verzerrung der hermeneutischen Auslegungslehre (Betti 1962, 38ff.). Gadamer hatte gezeigt, in welcher Weise das Verstehen die Auslegenden immer selbst mit ins Spiel ihrer Auslegung bringt. Dagegen sollte die Norm historischer Objektivität die Interpreten literarischer Texte verpflichten, allein »den beseelenden Schöpfergedanken wiederzuerkennen« (Betti 1962, 12), den der Autor in sein Werk einst gelegt habe.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03544-8_29

Full citation:

Jacob, J. (1995)., Exkurs: Literarische Hermeneutik, in M. Pechlivanos, S. Rieger, W. Struck & M. Weitz (Hrsg.), Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart, Metzler, pp. 337-339.

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