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221340

(1975) Gestalttheorie in der Modernen Psychologie, Heidelberg, Steinkopff.

Gestalttheorie als Irrationalismusbasis?

Norbert Groeben

pp. 134-145

Nach traditionell empiristischem Verständnis sehen wir theoretische Begriffe in den Wissenschaften (Konstrukte wie z. B. Prägnanz, Angst, Motiv etc.) als nicht unmittelbar intersubjektiv verständliche Terme an, die durch den Rekurs auf Beobachtung (i.w.S.) interpretiert werden müssen. Diese Auffassung hat zur Trennung von Sprachebenen im sogenannten Zweisprachen-Modell geführt, das zwischen Theorie- und Beobachtungssprache unterscheidet (vgl. Leinfellner 1967; Stegmüller 1970). Das Vokabular der theoretischen Sprache (LT mit ihren Dispositions-, Konstruktbegriffen etc.) wird mithilfe von Zuordnungsregeln (LC , z. B. operationale Definitionen) durch beobachtungssprachliche Grundbegriffe (LB ) interpretiert, die sich auf Beobachtbares (i.w.S.) beziehen und so intersubjektiv verständlich sind (vgl. Groeben & Westmeyer 1975, Kap. 2). Wie die wissenschaftstheoretische ‚rationale Rekonstruktion" der vorhandenen Wissenschaftsstrukturen auch der Naturwissenschaften gezeigt hat, ist diese Dichotomisierung von Theorie- und Beobachtungssprache nicht so zu verstehen, daß es für jede Einzelwissenschaft, d. h. objektwissenschaftliche Disziplin, ein abgeschlossenes, nur gegenstandsabhängiges und damit theorieunabhängiges Vokabular von Beobachtungstermen geben könnte: vielmehr hängt ‚Beobachtbarkeit" (z. B. besonders die indirekte Beobachtung mithilfe von komplizierten Meßinstrumenten; in der Psychologie: Fragebogen, Tests etc.) von den ‚linguistischen und fachwissenschaftlichen Fähigkeiten" der beobachtenden Person ab (Stegmüller 1973, 29), d. h. also auch von dem historischen Theorienstand, der z. B. in die Entwicklung der Beobachtungsinstrumente eingegangen ist (vgl. Rorschachtest gegenüber Persönlichkeitsfragebogen).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-642-72312-4_13

Full citation:

Groeben, N. (1975)., Gestalttheorie als Irrationalismusbasis?, in S. Ertel, L. Kemmler & M. Stadler (Hrsg.), Gestalttheorie in der Modernen Psychologie, Heidelberg, Steinkopff, pp. 134-145.

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