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Freiheit als Problem

Das Beispiel Otto Weininger

Monika Ritzer

pp. 55-68

»Hegel und sein Jahrhundert haben das Subjektive und Individuelle dem Allgemeinen geopfert, dem menschlich Allgemeinen, d.h. der Gesellschaft, dem räumlich Allgemeinen, d.h. der Natur, dem zeitlich Allgemeinen, d.h. der Geschichte. Socialismus, Naturalismus und Historismus… banden den Menschen,… er versank in seiner Umgebung, in seinen Boden, in seinen Hintergrund… All dem Draußen, dem Fremden, dem Objektiven mußte er sich widerstandslos hingeben, das Drinnen, das Subjektive mußte schweigen und gehorchen; das große Andere knechtete das Eigene… Und die Menschen lebten nicht mehr ihr eigenes Leben; sie lebten in den Dingen der Natur, in andern Menschen und Zeiten, sie lebten als Masse, als Maschinen und bestenfalls als Epigonen, unterthan jenen drei großen Mächten, die ihnen alles Eigene nahmen: die Verantwortung, den Glauben und die Schöpferkraft«. Doch »es geschah in der Dämmerung der neuen Zeit an der Jahrhundertwende, daß das Eigene« erwachte: »Die Stunde des Kampfes ist da, und der Kampf gilt dem Menschen, ob er ein Eigener, Lebendiger sein will…, ein Producierender oder ein Produkt nur«; »wir sehen der kommenden Frage ins Auge: es ist die Frage der Freiheit, der inneren Freiheit«, »die Frage der Kultur überhaupt« (Joël/kF, 44). — Dieses lange Resümee Joöls zur bewußtseinsgeschichtlichen Situation soll noch einmal an die Krisis der Kultur und des kulturschaffenden Menschen erinnern, die zu beheben Otto Weininger einen anderen, jedoch nicht weniger zeittypischen Weg einschlägt als der junge Broch, der ihm darauf allerdings bald folgen wird. Zum besseren Verständnis des Übergangs von den Jugendschriften zur Werttheorie wird uns deshalb gerade die Philosophie Weiningers den Kontext liefern.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03267-6_3

Full citation:

Ritzer, M. (1988). Freiheit als Problem: Das Beispiel Otto Weininger, in Hermann Broch und die Kulturkrise des frühen 20. Jahrhunderts, Stuttgart, Metzler, pp. 55-68.

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