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(2001) Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1997/98, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Zur Historizität soziologischer Gegenstände und ihren Implikationen für eine Wissenssoziologische Konzeptualisierung von Soziologiegeschichte

Martin Endreß

pp. 65-90

Die Frage der innerdisziplinären Positionierung soziologiegeschichtlicher Forschung gehört zu den regelmäßig erörterten Problemen in der Soziologie. Und immer wieder sieht sich die Soziologiegeschichte Versuchen gegenüber, diese als nicht zum Kernbestand der Disziplin gehörig zu charakterisieren. Das mag aufgrund der primär gegenwartsbezogenen Ausrichtung soziologischer Wissensproduktion vorderhand eine gewisse Plausibilität für sich haben. Diese Feststellung kann aber unter systematischen Gesichtspunkten nur erstaunen, da für die soziologische Forschung von einer konstitutiven Historizität ihrer "Gegenstände" auszugehen ist: Soziologie hat insofern einen genuin historischen Gegenstand, als sie es stets mit der Rekonstruktion von bereits vollzogenen Sinnsetzungs- bzw. Sinnkonstitutionsprozessen zu tun hat. Soziologie als sinnanalytische Handlungswissenschaft, d.h. als Wissenschaft, die soziale Wirklichkeit unter der Perspektive ihrer Bedeutung für soziales Handeln in den Blick nimmt, ist in ihren Analysen auf einen reflexiven, also historisch gebundenen Sinnbegriff verwiesen. Gerade ein solchermaßen akzentuiertes Verständnis von Soziologie verdeutlicht, warum eigentlich nur die Soziologie sich nicht nur empirisch fortwährend selbst zum Thema macht,sondern dies auch strukturell tun muß und sie zudem im Grunde die einzige Wissenschaft ist, die dies aufgrund ihres analytischen Profils systematisch tun kann: Insofern Sinnsetzungen stets durch vergangene Sinnsetzungen und Sinnentwürfe vorkonstituiert sind, sie mit diesen aber prinzipiell aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen Konstruktion und Rekonstruktion nicht identisch sein können, ist Soziologie immer auf eine Differenz von Sinnsetzungen — ihres Entwurfs ex ante und ihrer Erhebung ex post — verwiesen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-99644-2_2

Full citation:

Endreß, M. (2001)., Zur Historizität soziologischer Gegenstände und ihren Implikationen für eine Wissenssoziologische Konzeptualisierung von Soziologiegeschichte, in C. Klingemann, M. Neumann, K. Rehberg & I. Srubar (Hrsg.), Jahrbuch für Soziologiegeschichte 1997/98, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 65-90.

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