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217807

(1996) Logik der Distinktionen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Komplexität

Rodrigo Jokisch

pp. 169-224

Komplexität ist vermutlich kein spezifisch moderner Begriff2, obwohl man konstatieren muß, daß sich seine Hintergrundssemantik3 wesentlich gewandelt hat, und das heißt, daß seine heutige spezielle semantische Bedeutung in dieser Hinsicht doch relativ modernen Ursprungs ist. Quantitativ ablesbar ist die Modernität der Semantik von Komplexität an dem Umstand, daß der Begriff zur Zeit Hochkonjunktur feiert4, was sagen will, daß er sich einer vielseitigen Verwendung innerhalb unterschiedlicher Fachdisziplinen erfreut. Vor allem innerhalb des Systems der Wissenschaft wird er so extensiv verwendet, daß man der Meinung sein könnte, er diene als Indikator für den integrativen Prozeß unterschiedlichster wissenschaftlicher Traditionen und Disziplinen. In der Tat erscheint die altehrwürdige Kontroverse zwischen einer ideographischgeisteswissenschaftlichen und einer nomothetisch-naturwissenschaftlichen Tradition (W. Windelband) vor dem Hintergrund des Komplexitätskonzeptes zumindest in der geführten Schärfe nicht mehr angebracht. Wenn das renommierteste Problem des Wissenschaftssystems, nämlich das Problem der Komplexität, als »Selektionszwang« begriffen wird, so kann gesagt werden: die Kategorie der »Materie« dient der Lösung des ‚unlösbaren" Problems der Komplexität im Bereich der physikalisch ausgerichteten Wissenschaften, die Kategorie des »Lebens« leistet Gleiches im Bereich der biowissenschaftlich orientierten Fächer, und die Kategorie des »Sinns« (nicht des leiblichen Sinnes!) leistet Äquivalentes innerhalb der sozial-und geisteswissenschaftlich orientierten Disziplinen. Es wäre eine Überlegung wert, ob die Kategorie des »Menschen« nicht mit dem gleichen Problem der Komplexität zu tun hat wie die Kategorien »Materie«, »Leben« und »Sinn«, allerdings bezogen auf die anthropologisch-philosophisch ausgerichteten Disziplinen. Verwandte Gedanken äußert Niklas Luhmann, wenn er meint, daß "The core problem of the hard sciences is the complexity of complexity and that of the soft sciences is the meaning of the meaning. "5 Das Problem der Komplexität von Komplexität und das des Sinns des Sinns hängen natürlich eng zusammen. Sinn bezieht sich auf die Kategorie der Beobachtung, Komplexität auf die Kategorie der Operation. Wir kommen hierauf zurück.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-10681-4_3

Full citation:

Jokisch, R. (1996). Komplexität, in Logik der Distinktionen, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 169-224.

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