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217606

(1996) Heidelberger Jahrbücher, Dordrecht, Springer.

Raffael lesen

Die "Schule von Athen" und ihre Vorlage

Glenn W. Most

pp. 205-215

Auf welche Weise vermag ein Künstler eine geistige Tätigkeit wie die Philosophie bildhaft darzustellen? Um 1509 herum löste Raffael in der sogenannten "Schule von Athen" dieses Problem dadurch, daß er die vielfältigen Denk- und Sprachhandlungen malte, die eine Anzahl erwachsener männlicher Philosophen an einem sonnigen Tag in einem prächtigen Gebäude vollziehen (s. beiliegende Abbildung am Ende des Buches in Tasche auf dritter Umschlagsseite). Die achtundfünfzig Figuren, die sich in diesem grandiosen, reich ausgestatteten und dennoch nüchternen architektonischen Raum aufhalten, tun genau das, was Philosophen immer tun: Sie lesen, schreiben, tragen vor, argumentieren, beweisen, fragen, hören zu, überlegen, bewundern, bezweifeln. Wenn uns Raffaels Wahl dieser Darstellungsmittel selbstverständlich erscheint, dann nur deshalb, weil das dadurch entstandene Bild inzwischen so tief in unserem kollektiven Bildgedächtnis verwurzelt ist, daß es nie mehr von diesem Thema wegzudenken ist. Im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts dagegen war eine solche Darstellung der Philosophie keineswegs zwangsläufig, ja sie war nicht einmal wahrscheinlich, denn die Grundkonzeption der "Schule von Athen" ist völlig ohne Vorläufer in der Tradition europäischer Kunst.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-642-80323-9_12

Full citation:

Most, G. W. (1996)., Raffael lesen: Die "Schule von Athen" und ihre Vorlage, in H. Kiesel (Hrsg.), Heidelberger Jahrbücher, Dordrecht, Springer, pp. 205-215.

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