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198563

(2011) Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly, Dordrecht, Springer.

Kants Taube und der luftleere Raum der reinen praktischen Vernunft

Okko Behrends

pp. 53-82

Eine Taube in einem Gleichnis Immanuel Kants wähnte, so hörte ich kürzlich1, dass es mit ihrem Fluge wohl leichter vonstatten gehen möchte, wenn sie sich statt in der Luft in einem luftleeren Raum bewegen würde. Die Taube, sonst das Symbol des Turtelns, des Friedens oder gar des Heiligen Geistes, denkt hier einmal, so scheint es, selber über ihre Condicio columbina nach. Aber war es wirklich die Taube, die hier dachte? Gesetzt, ein solcher Vogel könnte tatsächlich für einen Augenblick über sich und seine Existenzbedingungen reflektieren, würde er wirklich das Medium, das ihm zu fliegen erlaubt, als Hindernis seiner Bewegungsfreiheit erfassen? Ich glaube das nicht. Eine solche intelligente Taube würde sich die Luft unter ihren Flügeln, deren Widerstand sie sowohl trägt als auch die Kraft ihres Flügelschlags spüren lässt, genauso wenig hinweg denken wollen wie ein intelligenter Fisch das von seinen Flossen bewegte Wasser oder ein Mensch den Boden, auf dem er geht und steht. Offenbar handelte es sich in Wahrheit um eine Gedankenoperation des großen Königsberger Philosophen selbst, die er dem Vogel geliehen hatte.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-7091-0001-1_5

Full citation:

Behrends, O. (2011)., Kants Taube und der luftleere Raum der reinen praktischen Vernunft, in F. Harrer, H. Honsell & P. Mader (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Theo Mayer-Maly, Dordrecht, Springer, pp. 53-82.

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