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190950

(1998) Soziologische Theorie und Geschichte, Dordrecht, Springer.

Kritische Gesellschaftstheorie ohne Geschichtsphilosophie?

Zu Jürgen Habermas' verabschiedeter und uneingestandener Geschichtsphilosophie

Georg Lohmann

pp. 197-217

Ich will zunächst meine thematischen Begriffe und dann meine Fragestellung kurz erläutern. Gesellschaften als umfassende soziale Handlungszusammenhänge unterliegen Veränderungen in der Zeit, die im Bewußtsein ihrer Akteure als geschichtliche Verläufe konstruiert werden. Geschichtsphilosophien unternehmen die Deutungen dieser Geschichten auf Grund bestimmter Annahmen, von denen ich einige beispielhaft andeute: Es sind Annahmen über die Erkennbarkeit der Geschichte, z. B. weil sie vom Menschen gemacht sei oder in narrativen Sätzen dargestellt werde; über dieVerlaufsrichtung, z. B. linearer Fortschritt oder Verfall oder zyklische Wiederkehr; über das Ziel der Geschichte, z.B. Weltgericht und Erlösung oder weltbürgerliche Gesellschaft; über den Sinn der Geschichte, z. B. Bewährung, Gnadenfrist oder praktische Ermutigung; über das Subjekt der Geschichte, z.B. die Menschheit, die Freiheit oder die Gesellschaft; und schließlich darüber, ob es eine Universalgeschichte oder nur eine Pluralität von Geschichten gibt. Die Geschichte der Geschichtsphilosophien macht diese Vielfalt unterschiedlicher Kennzeichnungen als zunehmenden Reflexionsprozeß auf Wandlungen im Geschichtsbewußtsein plausibel,1 gleichwohl wird oft unter der Geschichtsphilosophie eine klassisch neuzeitliche Variante verstanden, nach der die eine Universalgeschichte einen idealen Zustand der Menschheit zum Ziel hat und dies in der Weise eines objektiv notwendigen, linearen Fortschrittsprozesses anstrebt.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-89013-9_9

Full citation:

Lohmann, G. (1998)., Kritische Gesellschaftstheorie ohne Geschichtsphilosophie?: Zu Jürgen Habermas' verabschiedeter und uneingestandener Geschichtsphilosophie, in F. Welz & U. Weisenbacher (Hrsg.), Soziologische Theorie und Geschichte, Dordrecht, Springer, pp. 197-217.

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