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139872

(1978) Jenseits von Sein und Zeit, Dordrecht, Springer.

Einleitung

Stephan Strasser

pp. 1-12

"Werden wir nicht von der Moral gefoppt?"1; mit dieser eigenartigen Frage heben die Betrachtungen an, die in dem Werk "Totalität und Unendlichkeit" vereinigt sind. Warum klingt diese Frage so sonderbar? Levinas fordert uns nicht auf, dem Bösen bedingungslos zu widerstreben; er ermahnt uns nicht, den sittlichen Grundsätzen unter allen Umständen getreu zu bleiben. Im Gegenteil: er gibt uns zu verstehen, daß die Märtyrerdramen eines Corneille und eines Gryphius der Vergangenheit angehören. Von einem Sieg der Freiheit über die Notwendigkeit ist keine Rede mehr. Vielleicht, so deutet Levinas an, ist die moderne Situation dadurch gekennzeichnet, daß Komödien an die Stelle der Tragödien getreten sind. Vielleicht sind wir Narren, wenn wir uns bemühen, moralische Prinzipien hochzuhalten. Vielleicht sind wir lächerlich, wenn wir die Anstrengung auf uns nehmen, uns gerecht, gütig, liebevoll zu verhalten. — Dieses "Vielleicht" hat einen eigenartig aufreizenden Charakter. Viele sind bereit, für ihre Überzeugung alles aufzuopfern; mancher glaubt dazu imstande zu sein. Aber lächerlich will sich niemand machen. Dieselben, die entschlossen sind, im äußersten Falle das Martyrium zu erleiden, weigern sich, den Hanswurst zu spielen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-94-009-9721-9_1

Full citation:

Strasser, S. (1978). Einleitung, in Jenseits von Sein und Zeit, Dordrecht, Springer, pp. 1-12.

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